 |
|
|
Was ist eigentlich Mittelmeer-Küche?
Eine multikulturelle Antwort aus dem Gasthaus zu Möggingen
Was die "Bodensee-Küche" ist, wissen wir hier am "Schwäbischen
Meer" schon lange ungefähr: Fisch und Wein, Obst und Gemüse
aus dem See und dem Umland. Und über den See hinweg breiten sich
die verschiedenen regionalen Spazialitäten an die anderen Ufer aus.
In Anzeigen und auf Restaurant-Schildern lesen wir jetzt immer öfter
von "Mittelmeer-Küche". Und in der Seezunge haben wir schließlich
eine eigene Rubrik "mediterrane Küche". Wenn das Mittelmeer
so im Trend liegt, gehen wir der Sache einmal auf den (Meeres-)Grund.
Das Mittelmeer ist eigentlich so etwas wie der Bodensee, nur viel größer.
Es verbindet und trennt so wie unser "Schwäbisches Meer"
die Länder im Süden und im Norden. Und zwischen den Kulturen,
die sich da vom Morgenland bis zum Abendland treffen, gibt es größere
Unterschiede als hier. Drei Kontinente und die Heimat dreier Weltreligionen
sind schon etwas anderes als die alemannische Ecke dreier deutschsprachiger
Staaten. Da liegen rund herum ganz verschiedene Länder mit ihren
jeweiligen National-Küchen. Aber die sind immer irgendwie von den
Nachbarn beeinflusst, vor allem auf den Inseln, die übers Meer hinweg
immer wieder neue Zutaten und Rezepte bekommen haben. So findet man von
Zypern über Sizilien und Malta bis zu den Balearen die schönsten
kulinarischen Mischungen.
Kulinarisches "Crossover" liegt ebenso im Trend wie musikalisches.
Aber hält die Küche immer, was der hohe Anspruch verspricht?
Oder ist es doch nur die Küche eines Mittelmeer-Anrainerlandes, mit
etwas mehr Fisch als bei der Konkurrenz? Nur wenige schauen über
den Tellerrand ihrer nationalen mediterranen Küche.
Vor der Praxis kommt aber auch in der Küche die Theorie: Welche Zutaten
sind den Küchen der Mittelmeer-Länder gemeinsam? Was ist das
wichtigste Element, das überall vorkommt und so charakteristisch
für den Geschmack ist? Welcher Baum ist so typisch für die Kulturlandschaften
am Mittelmeer. Der Ölbaum - und damit die Oliven, das Olivenöl.
Das ist nicht nur leicht verdaulich und schmeckt gut, sondern ist mit
seinem hohen Gehalt an einfach ungesättigten Fettsäuren auch
gesund. Schon in den 50er Jahren wurde festgestellt, dass die Bewohner
der Mittelmeer-Länder länger leben und weniger an Herz-Kreislauf-Krankheiten
erkranken. Das kann natürlich verschiedene Gründe haben, aber
inzwischen wurde auch in medizinischen Studien (z.B. am Kantonsspital
im nahen Winterthur!) erwiesen, dass bei mediterraner Ernährung mit
Olivenöl deutlich weniger Herzinfarkte vorkommen.
Aber es ist nicht nur das Öl, genauso wichtig - für Geschmack
und Gesundheit - ist der Knoblauch, dessen reinigende Wirkung einschlägig
bekannt ist. Und aus dem Meer selbst kommen die Fische, die eben auch
gesünder sind als das teutonische Schweinefleisch. Soweit noch genug
Regen fällt und Wasser fließt, wächst rund ums Mittelmeer
auch das viele frische Obst und Gemüse (möglichst als Salat
oder crudités!), das schließlich noch zur gesunden mediterranen
Küche gehört. Und, in Maßen, der Rotwein ...
Soweit in ganz groben Zügen die wichtigsten Zutaten. Das ist das
Notwendige, aber reicht das aus? Der Mensch lebt nicht vom Brot allein,
und zur mediterranen Küche braucht es mehr als nur Zutaten, die man
auf dem Markt kaufen kann: die Muße und Hingabe (oder auch Liebe
...) beim Kochen, Zeit zum Essen - und die Siesta danach.
Das folgende Menü von Paola Lorenzoni aus dem Gasthaus zu Möggingen
hat uns am meisten überzeugt für den Versuch, die Küchen
mehrerer Länder an dem Meer zwischen den drei Kontinenten zu kombinieren.
Die Chefin des Restaurants im Haus der Galerie Vayhinger stammt aus der
Gegend von Treviso im Hinterland von Venedig und praktiziert eine Küche,
die kreativ mit den kulinarischen Traditionen umgeht - und dabei die Bedingungen
am Bodensee berücksichtigt. Das Menü ist eine bunte Mischung,
die aber durchaus einen tieferen Sinn ergibt, wenn man sich die Geographie
der Mittelmeer-Länder genauer anschaut.
Mögginger Mittelmeer-Menü
Grüne Olivensuppe mit Datteln und Chili
Sarde in Saor
Couscous mit Lamm und Huhn, dazu Höri-Gemüse
Käsevariation mit Birnen oder Feigenkompott (je nach Saison)
Lavendelparfait mit marinierten Erdbeeren
Auch und gerade in warmen Ländern werden Suppen gegessen, aber eben
andere. Weil die Olive wie gesagt das verbindende Element ist, dient sie
als Basis einer einführenden Suppe, wobei die Datteln darin als Frucht
der nordafrikanischen Oasen einen schönen Kontrast reinbringen -
und der Chili das ganze noch dezent verschärft. Weil die Dattelstücke
erst am Ende der Kochzeit dazugegeben werden, behalten sie ihre Konsistenz.
Diese harmonisch ausgewogene Suppe hat Paola erst vor kurzem kreiert und
wird das Rezept noch eine Zeit lang als Küchengeheimnis hüten.
Venedig war mit seinem Hafen jahrhundertelang für Norditalien und
Zentraleuropa das Tor zum Orient, und seit Marco Polos Zeiten weiß
man, dass die venezianischen Händler in diese Richtung noch viel
weiter gereist sind. Von dort haben sie wohl auch die Idee mitgebracht,
Fische süß-sauer zu marinieren: Was dabei entsteht, wenn man
Sardinen zwei Tage lang in Essig und Zucker legt, heißt im Dialekt
"Sarde in Saor" und ist eine alte Spezialität der venezianischen
Küche.
Couscous kennt man als das Alltagsgericht der nordafrikanischen Küche,
von den Küstenstädten bis weit in die Sahara hinein. Weniger
bekannt ist, wie weit er sich über das Mittelmeer hinweg ausgebreitet
hat: nach Sizilien, Spanien - und mit den Algerien-Franzosen in ganz Frankreich.
Die am weitesten verbreitete Fleisch-Variante (es geht auch vegetarisch!)
ist mit Lamm und Huhn, denn Schafe und Hühner mäh-en und gackern
wirklich in allen Ländern rund ums Mittelmeer. Beim Gemüse ist
im Couscous fast alles erlaubt, und in unserer so gesegneten Bodensee-Region
müssen wir ja nicht unbedingt noch Gemüse importieren. Deshalb
hat hier mit dem Lamm und Huhn einheimisches Höri-Gemüse im
Topf gekocht.
Wo Schafe weiden, gibt es fast immer auch Schafskäse. Und rund um
das Mittelmeer haben sich hunderte von verschiedenen regionalen Sorten
und Varianten entwickelt, aus denen sich leicht eine "bunte"
Käseplatte zusammenstellen lässt - zusammen mit den Käsen
aus Kuhmilch, die es vor allem nördlich des Mittelmeers gibt. Dazu
passt im Sommer ein Feigenkompott, denn Feigenbäume gibt es ja von
Spanien bis zum Paradies, das bekanntlich irgendwo im Osten des Mittelmeers
lag.
Die von hier aus nächst-liegende Mittelmeer-Landschaft ist die Provence
mit ihren berühmten Farben und Düften. Die Pflanze, die am meisten
die beiden entsprechenden Sinne anspricht, ist der Lavendel, der in diesem
Fall das Parfait perfekt parfümiert. Dazu Erdbeeren, die hier in
der Vorsaison noch aus mediterranen Ländern wie Italien oder Spanien
kommen.
So bunt-gemischt wie dieses Menü ist die Mittelmeer-Küche natürlich
nicht immer, aber es hat uns sehr schön eine Idee vermittelt, wie
vielfältig sie sein kann.
Couscous mit Lamm, Huhn und Höri-Gemüse
(als Gang eines größeren Menüs für 8 Personen, als
einzelnes Hauptgericht entsprechend mehr)
300 g Lammkeule und
300 g Huhn nacheinander in Olivenöl anbraten
2 große Zwiebeln und Knoblauch (Menge al gusto ...) andünsten,
mit
200 g Schältomaten aufgießen, Salz, Pfeffer und ein Lorbeerblatt
dazu,
mit dem Fleisch (zuerst Lamm, nach 15 min das Huhn dazu) eine halbe Stunde
schmoren lassen
500 g Gemüse (nach Saison, z.B. Fenchel, grüner Spargel, Zucchini
...) blanchieren und 10 min vor Schluss in den Topf geben,
500 g Couscous in ½ l Brühe kochen - und alles auf die Teller
verteilen
|
|
Gasthaus zu Möggingen
Liggeringer Straße 7
78315 Radolfzell-Möggingen
Tel. 07732/13837,
Fax 12570
Dienstag Ruhetag,
sonn- und feiertags auch mittags geöffnet
|
 |